Wissensspeicher Mansfeld-Südharz: Soziale Innovation auf dem Land

Blog-Beitrag #3 vom 11.01.2024

Isabel Müller (Zentrum für Sozialforschung Halle e.V.)


Der Landkreis Mansfeld-Südharz liegt im Südwesten Sachsen-Anhalts. Als Bestandteil des Mitteldeutschen Reviers ist er bis heute geprägt durch industriellen Kupferschiefer-, Braunkohle-, Gips- und Kalibergbau.[1] Ferner kennzeichnet sich die Region durch charakteristische Dialekte und Bräuche, reizvolle Landschaften und eine geschichtsträchtige Vergangenheit. Bei genauerer Betrachtung von Indikatoren wie Bevölkerungsentwicklung, Pflegesituation, Jugendarbeitslosigkeit und Wirtschaftslage wird jedoch ein herausforderndes Entwicklungsbild deutlich.[2] Trotz positiver Entwicklungen in den Bereichen Bildung und Arbeitslosigkeit überwiegen die Herausforderungen für Mansfeld-Südharz. Gemäß des Thünen-Landatlas wird der Landkreis als sehr ländlich eingestuft [3]. Im anhaltenden (Struktur-)Wandel gilt es, Traditionen und kulturellen Eigenheiten zu bewahren, gleichzeitig jedoch zukunftsweisende Lösungsansätze zu entwickeln, um den Herausforderungen im sozialen, wirtschaftlichen und demografischen Kontext erfolgreich zu begegnen.


Soziale Innovation auf dem Land

An dieser Stelle kommen soziale Innovationen ins Spiel, denn sie vermögen es, Wandel nachhaltig anzutreiben und zu gestalten. Basierend auf der Annahme, dass soziale Innovationen ein normatives Element beinhalten, liegt ihr zentrales Ziel darin, die Lebensqualität zu steigern, solidarisches Miteinander zu stärken und sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Wohlfahrt zu verbessern. Dabei werden einzelne Akteure oder Organisationen als Träger sozialer Innovation verstanden. Diese Akteure nehmen gesellschaftliche Probleme wahr und entwickeln neuartige Ideen, um diese Probleme zu lösen. Nach erfolgreicher Implementierung dieser Ideen und ihrer Akzeptanz durch die Zielgruppe entfalten sie ihre Wirkung und verbreiten sich idealerweise über verschiedene Gruppen, Regionen oder Bereiche hinweg.[4]


Der urbane Raum gilt aufgrund seiner Größe, Dichte und Vielfalt als prototypische Basis für gesellschaftliche Innovation. Dort wo heterogene Denk- und Lebensformen, Kulturen und Religionen auf engem Raum zusammentreffen, entstehen einerseits Konflikte, andererseits aber auch Freiräume für Kreativität und Innovation.[5] Aber auch für strukturschwache und ländliche Räume, wie den Landkreis Mansfeld-Südharz, erweisen sich soziale Innovationen als äußert interessant. Hier bieten sich andere Potentiale an, darunter die Verfügbarkeit von Flächen und Räumen, die für die Entwicklung, Umsetzung und Verbreitung sozialer Innovation genutzt werden können. So können Räume für Treffen und Austausch geschaffen werden und Formate zu Kommunikation sowie Netzwerke oft mit wenigen Akteuren (re-)aktiviert werden. Wichtig dabei ist die Einbindung lokaler Problemstellungen und Bedarfe der Bevölkerung sowie der örtlichen Akteure. Durch offene Innovationsprozesse und aktive Beteiligung kann Akzeptanz für sozial innovative Lösungsansätze gestärkt werden. Dieser partizipative Ansatz ist besonders wichtig, um sicherzustellen, dass die entwickelten Innovationen nicht nur den allgemeinen Bedarf abdecken, sondern auch gezielt auf die spezifischen Herausforderungen und Anforderungen des ländlichen Raums eingehen.


Wissensspeicher MSH

Der Wissensspeicher MSH ist ein Projekt, das Menschen im Landkreis Mansfeld-Südharz vernetzt, Wissen zu sozialer Innovation, sozial innovativen Trends sowie Megatrends vermittelt und sozial innovative Ideen und Projekte in Mansfeld-Südharz sichtbar macht. Hierfür wurde eine digitale Plattform entwickelt, die dieses Wissen bündelt und vermittelt. Im Rahmen der Projektlaufzeit von Juli 2022 bis Juni 2026 werden zudem ko-kreative Veranstaltungsformate wie World-Cafés, Design Thinkings und Ideen Sprints organisiert. Diese Formate dienen nicht nur der Wissensvermittlung, sondern vor allem der aktiven Partizipation der Gemeinschaft. Durch diese partizipativen Ansätze soll der Zusammenhalt gestärkt und die Möglichkeit zur Mitgestaltung des sozialen Wandels im Landkreis gefördert werden.


Mit Hilfe dieser Verknüpfung von sozialen und technischen Innovationspraktiken sollen Erkenntnisprozesse angestoßen und gleichzeitig Teilhabe erleichtert, Zugangs- und Akzeptanzschranken abgebaut, soziale Netzwerke (re-)aktiviert sowie das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Gemeinschaftsgeist gestärkt werden. Die Menschen und Akteure des Landkreises Mansfeld-Südharz gestalten den Strukturwandel in ihrer Heimat durch ihr Engagement und ihre Ideen aktiv mit.


Soziale Orte im Wissensspeicher

Auch soziale Orte finden sich im Wissensspeicher wieder. Nach Kersten/Neu/Vogel (2022)[6] sind Soziale Orte solche, an denen Menschen zusammenkommen, um miteinander zu interagieren, zu kommunizieren und soziale Beziehungen aufzubauen. Sie bieten Möglichkeiten für die Teilhabe an kulturellen Aktivitäten, das Erlernen neuer Fähigkeiten und die Entwicklung von Solidarität und Zusammengehörigkeit. Und auch soziale Innovation können hier in Form von Ideen beginnen oder auch implementiert, erprobt oder weiterentwickelt werden.


Beispiele für soziale Orte in Mansfeld-Südharz sind:

  • Der Gutshof Tilleda: eine wachsende Gemeinschaft, die einen Lebensraum schaffen möchte, in welchem gemeinsame Ideale, Zusammenarbeit und die Nähe zur Natur im Mittelpunkt stehen.
  • Das Mehrgenerationenhaus in Lutherstadt Eisleben: eine Anlaufstelle für Jung und Alt, die Angebote für alle Generationen unter einem Dach bereithält.
  • Die Bildungs- und Begegnungsräume der Kreisvolkshochschule im ländlichen Raum („Lasst die Bildung im Dorf“)
  • Das MakerLab Lutherstadt Eisleben: Angelegt als Reallabor und Coworking-Space versteht sich das MakerLab Lutherstadt Eisleben zukünftig als Vernetzungsknoten und Denkwerkstatt.

 

Das Projekt Wissensspeicher Mansfeld-Südharz vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und dem Landkreis Mansfeld-Südharz gefördert. Es wird im Zeitraum von Juli 2022 bis Juni 2026 durch das Zentrum für Sozialforschung Halle e.V. ausgeführt.


[1] Landkreis Mansfeld-Südharz (Hg.) (2021): Masterplan Strukturwandel. Masterplan zur Gestaltung des Strukturwandels im Landkreis Mansfeld-Südharz im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis 2038.

[2] Böttcher, Sabine; Holtmann, Everhard; Jaeck, Tobias; Müller, Isabel; Stobbe, Mandy; Winge, Susanne (2022): Kreisdossiers: Landkreis Mansfeld-Südharz. Räume zum Leben im Strukturwandel.

[3] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2016): Thünen-Landatlas. Ländlichkeit. Online verfügbar unter https://karten.landatlas.de/, zuletzt geprüft am 18.12.2023.

[4] In Anlehnung an den Zyklus sozialer Innovation nach Hochgerner, Josef (2013): Social Innovations and the advancement of the general concept of innovation. In: Carmen Ruiz Viñals und Carmen Parra Rodríguez (Hg.): Social Innovation. New forms of organisation in knowledge-based societies. London and New York: Routledge, S. 12–28.

[5] Evers, Adalbert, Annette Zimmer, Gabriele Schmidt and Ludger Klein (2014): Stadt - Ort sozialer Innovation. Forschungsjournal Soziale Bewegungen 27. Jg. 2/2014:2–7.

[6] Kersten, Jens; Neu, Claudia; Vogel, Berthold (2022): Das Soziale-Orte-Konzept: Zusammenhalt in einer vulnerablen Gesellschaft. Rurale Topografien Band 16. Bielefeld: transcript.